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Solidarität mit dem irakischen Volk

21. Sep 2009

Eine internationale Pax Christi Delegation besuchte den Irak und wurde herzlich willkommen geheißen und großzügig unterstützt durch den Patriarchen Kardinal Emanuel Delly, durch Bischof Rabban Al-Kass, den Chaldäischen Bischof von Amadya-Shamkan und Erbil, durch Bischof Louis Sako, den Chaldäischen Bischof von Kirkuk, durch Bischof Georges Casmouss…

Die Delegation bestand aus der Internationalen Co-Präsidentin, Marie Dennis; Bischof Thomas Gumbleton, Pax Christi USA; Christine Hoffmann, Generalsekretärin von Pax Christi Deutschland; Wiltrud Rösch-Metzler, Sprecherin der Nahost-Kommission von Pax Christi Deutschland; Don Renato Sacco, Pax Christi Italien; Bischof Marc Stenger, Präsident von Pax Christi Frankreich; und Katrien Hertog, Pax Christi International Mitarbeiterin in Brüssel. Sie besuchte die Bezirke Kirkuk, Mosul, Erbil und Dohuk vom 10. bis 17. September. Ein geplanter Besuch in Bagdad konnte nicht realisiert werden.

Die Situation ist sehr unsicher für die Menschen im Irak und für den Zeitraum bis zu den Wahlen im Januar 2010 wird weitere Gewalt erwartet. Auf der einen Seite gibt es Kreise, die Spaltungen entlang der ethnischen und religiösen Linien verstärken; auf der anderen solche, die Dialog, Verständigung, Versöhnung und Gewaltfreiheit fördern.

Die Delegation traf auf viele gute Beispiele für Friedensarbeit. Durch außergewöhnliche Bemühungen seitens religiöser Vertreter in der Ölstadt Kirkuk wurde es den Mitgliedern ermöglicht sunnitische und schiitische Moscheen zu besuchen und mit muslimischen Repräsentanten in Kontakt zu treten. In Dohuk lernten sie Bischof Rabbans Programm einer koedukativen, interreligiösen Internationalen Schule kennen, die Muslime, Christen, Yeziden und Turkmenen zusammenbringt um eine Grundlage für menschliche Werte und Menschenrechte zu schaffen. Sie erfuhren von den Dominikanerinnen in Mosul über ihren Einsatz für Friedenserziehung auf der Grundschulebene und trafen engagierte Gesundheitsexperten in Kirkuk, die gleichermaßen Muslime und Christen behandeln. In Erbil traf die Delegation die Irakische GewaltfreiheitsOrganisation-LaOnf,  die ein Netzwerk von Nicht-Regierungs-Organisationen für Gewaltfreiheit aufgebaut hat.

Der Einsatz von Pax Christi für Versöhnung und Gewaltfreiheit machte diese und ähnliche Initiativen besonders interessant für die Delegation, die auch mit den extremen Spannungen im Land konfrontiert wurde. Während ihres Aufenthalts gab es zwei größere Bombardierungen, und sie spürten bei den Menschen, die sie besuchten, große Furcht vor Entführungen.

In den Gebieten, die die Delegation besuchen konnte, war das Maß an Sicherheit in den kurdischen Provinzen im Norden des Landes viel höher als in den sogenannten umstrittenen Provinzen Mosul und Kirkuk. Aber selbst in den kurdischen Provinzen fehlte das Gefühl dauerhafter physischer und ökonomischer Sicherheit und UN-Vertreter schilderten Menschenrechtsver-letzungen, besonders gegen politische Gefangene und Frauen. 100 000 Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge (IDPs) verbleiben in der gleichen Gegend.

Christ/innen und andere Minderheitsgruppen fühlen sich im Irak weiterhin bedroht und verlassen weiterhin das Land. Diese Tatsache beunruhigt viele Menschen, die die Delegation traf, sehr, denn sie glauben, dass Versöhnung der Weg in die Zukunft ist und dass der Verlust der christlichen Gemeinschaften, die hier im 2. Jahrhundert gegründet wurden, eine große Tragödie für den Irak wäre. Gleichzeitig erfuhr die Delegation, dass der Konflikt im Irak eher politischer denn religiöser Natur sei und Gewalt wegen des Gleichgewichts der Macht ausbreche.


Minderheiten sehen sich vor die Wahl gestellt sich am Kampf um Macht zu beteiligen, neutral zu bleiben oder für eine Gesellschaft zu arbeiten, in der alle einen Platz finden. Schließlich erfuhren die Mitglieder der Delegation von vielen Menschen über die Zerstörung der Infrastruktur Iraks während des ersten Golfkriegs, die immer noch nicht bewältigt ist, und über die Auswirkungen der lang andauernden harten Sanktionen, welche die normalen Leute bestraften. Sie wurden darüber informiert, dass die US-geführte Invasion Iraks im Jahr 2003 die Sicherheit zerstörte und viele neue Probleme für das irakische Volk schuf.
Die Delegation stimmt dem Irakischen Netzwerk für Gewaltfreiheit-LaOnf zu, welches „Besatzung und Krieg als Weg zum Aufbau einer Demokratie und zur Errichtung eines Rechtssystems ablehnt, auch wenn diese als die einzig mögliche Lösung beschrieben werden.“

Pax Christi International ist den christlichen Bischöfen und Gemeinden und der Zivilgesellschaft der Region außerordentlich dankbar für den warmherzigen Empfang und die große Gastfreundschaft und bleibt den ursprünglichen Zielen dieser wichtigen Pax Christi Delegationsreise in den Irak verpflichtet: Solidarität mit allen Irakern zum Ausdruck zu bringen; ein besseres Verständnis der komplexen Wirklichkeit Iraks zu gewinnen; und – auf der Grundlage dessen, was sie gesehen und gehört haben - konkrete Aktionen vorzuschlagen, welche die bestehenden Bemühungen der irakischen Menschen um Frieden und Versöhnung in ihrem Land unterstützen.

Pax Christi International wird:

  • die internationale Gemeinschaft über die Situation im Irak und über seine Minderheiten informieren, ebenso über die Arbeit der irakischen Kirche für Frieden und Versöhnung, einschließlich der Zeugnisse der Märtyrer, Bischof Paulos Faraj Rahho, Father Rajeed, Paulos und andere;
  • Partnerschaften zwischen Pax Christi Mitgliedsorganisationen und irakischen Gruppen aufbauen;
  • die Möglichkeiten ausloten Pax Christi Expertise und Ressourcen hinsichtlich aktiver, gewaltfreier Konfliktlösung, Friedensarbeit und Reaktionen auf gewalttätige Radikalisierung mit interessierten Institutionen im Irak zu teilen;
  • interreligiöse Verständigung in unseren eigenen Ländern fördern, falls möglich durch Einladungen an sunnitische, schiitische und christliche Repräsentanten aus dem Irak;
  • mit den eigenen Regierungen über die Unterstützung von Wiederaufbaumaßnahmen im Irak verhandeln.

Wir fordern unsere Kirchen auf:

  • die Rolle der Kirche als Brückenbauer zu stärken;
  • offizielle Delegationen von Bischofskonferenzen anderer Länder in den Irak zu entsenden um die Situation dort besser zu verstehen;
  • Versöhnung zwischen den verschiedenen irakischen Kirchen zu fördern;
  • Friedens- und Versöhnungsarbeit im Irak zu unterstützen;
  • der Ausbreitung christlichen Extremismus entgegenzuwirken.

Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf:

  • den Wiederaufbau des Irak zu unterstützen;
  • vergangene und gegenwärtige Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und zu verfolgen;
  • Vertrauen in die internationale Gemeinschaft wieder aufzubauen und internationales Recht wieder herzustellen;
  • gemeinsam für die Entwicklung eines regionalen Systems von Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten zu arbeiten.

Brüssel, 17. September 2009